Schatten und Farbe
Edition | Unikat |
---|---|
Sujet | Porträt |
Technik | Assemblage |
Höhe | 56.6 cm |
Breite | 40 cm |
Länge/Tiefe | 5 cm |
Acrylfarbe auf Holz auf Holzrahmen
2015
Schatten und Farbe
Im Spannungsfeld zwischen Präsenz und Abwesenheit entfaltet sich in diesem Werk die paradoxe Beziehung zwischen dem dokumentierten Moment und der malerischen Intervention. Der Abdruck eines Schattens, der das Bild des Künstlers selbst zeigt, wird auf einem Holzbrett fixiert und durch die Spuren der malerischen Geste transformiert. Die flüssige Farbe – Gelb, Schwarz und Weiß – ist nicht nur ein Medium der Überlagerung, sondern auch ein aktiver Bestandteil des Bildprozesses, der das Fotomotiv überfließt und sich mit ihm vereint, bis die Grenze zwischen dem Einbehaltenen und dem Verfließenden verwischt.
Die Technik der Übertragung, die das fotografische Bild auf den Holzträger transferiert, bewahrt die Flüchtigkeit eines Augenblicks, der in seiner fixierten Form bereits zu verblassen beginnt. Der Schatten des Künstlers, ein stummer Abglanz seines Selbst, ist nicht länger ein blasses Spiegelbild der Realität, sondern wird durch die zarten, aber durchdringenden Schichten von Farbe neu kontextualisiert. Gelb fließt wie Licht und Wärme, Schwarz wie die Dunkelheit, die das Bild von innen heraus zerfrisst, während Weiß – in seiner Reduktion und Klarheit – eine ruhige, beinahe melancholische Präsenz hinterlässt.
Die Farbe fließt, wie der Fluss der Zeit, über den festgehaltenen Abdruck des Körpers. In ihren Spuren liegt der Akt des Werdens und Vergehens: Die Schichten von Farbe lassen das Bild zunehmend entmaterialisieren, dekonstruieren das ursprüngliche Motiv, bis nur noch die leeren Stellen und die farbigen Durchbrüche bleiben. Was einst als feste Silhouette des Ichs erschien, wird durch die Malerei selbst in den Zustand der Unbestimmtheit und der Fragmentierung überführt.
Im Zusammenspiel von Fotografie und Malerei entsteht ein kontinuierlicher Dialog zwischen der fixierten Momentaufnahme und der fortwährenden Veränderung. Die fließende Farbe ist keine bloße Dekoration, sondern ein aktiver Eingriff in die Wahrnehmung der Selbstrepräsentation. Sie verdeckt nicht nur, sie transformiert: Sie macht das Bild zu einem Prozess, einem ständig sich erneuernden Akt der Selbstwahrnehmung, der sich zwischen der fixierten Zeit der Fotografie und der offenen, prozesshaften Zeit der Malerei bewegt.
Die Silhouette des Schattens wird nicht vollständig erfasst. Sie bleibt ein Bild des Ichs, das sich in einem ständigen Wandel befindet. Der Fotografierte ist der Künstler selbst, und der Schatten wird zur Metapher für die eigene flüchtige Wahrnehmung des Selbst. Was hier in Farbe über das Bild fließt, ist nicht nur eine materielle Substanz, sondern auch das nicht Greifbare der Identität – das, was nicht mehr zu fassen ist, das sich in der Bewegung verliert.
In diesem Werk wird das Bild nicht nur betrachtet, sondern durch die malerische Intervention aktiv erlebt. Der Künstler bleibt nicht bloß Abgebildeter, sondern wird in seiner Rolle als Schöpfer von Bildern durch den Prozess der Überlagerung und Verwandlung selbst zum Teil des Werkes. Schatten und Farbe verschmelzen zu einem neuen Bild der Präsenz und der Abwesenheit, das sich jenseits der fixierten Realität entfaltet – ein selbstreflexiver Akt, der die Kluft zwischen dem Eigenen und dem Fremden, zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren, zwischen dem Selbst und dem Bild aufbricht.
Konstantin Lischkoff-Knecht
Herr Knecht studierte 2012 bis 2020 Freie Kunst an der Akademie der Bildenden Künste München, bei Günther Förg und Jorinde Voigt.
Knecht nahm auch bei der Projektklasse Anne Imhof teil und stand in regem Austausch mit diversen Profesor*innen und Student*innen der Akademie.
Artist Statement
Meine künstlerische Reise ist tief verwurzelt im abstrakten Expressionismus, einem Stil, der sich durch spontane, emotionale und ungezügelte Ausdrucksformen auszeichnet. Die Werke von Pionieren wie Mark Rothko, Willem de Kooning, aber auch Künstler wie Cy Twombly und Georg Baselitz haben mein Verständnis und meine Wertschätzung für die rohe, unmittelbare Kraft der Farbe und Form maßgeblich geprägt.
In meinen Gemälden strebe ich danach, die Grenzen der visuellen Sprache auszuloten und die Emotionen und Gedanken, die mich bewegen, auf die Leinwand zu bringen. Der abstrakte Expressionismus bietet mir die Freiheit, mich jenseits der traditionellen Formen und Vorstellungen auszudrücken. Diese Stilrichtung erlaubt es mir, mit Farben, Texturen und Kompositionen zu experimentieren, um eine tiefe und oft intuitive Resonanz zu erzeugen.
Jede Leinwand ist für mich eine Schlachtbank, auf der ich mit inneren Konflikten, Gefühlen und Gedanken abrechne. Die Bewegung des Pinsels, das Fließen von Farbe und die groben Gesten spiegeln die Intensität und Spontaneität wider, die den Kern meiner Arbeit ausmachen. Der Faktor Zeit spielt bei der Entstehung eine ganz intime Rolle: Das Fließen der Farbe und das damit verbundene Entstehen des Bildes ist für mich ein Vergehen der unmittelbar verhandelten Zustände meines Innenlebens. Dieser Prozess wird der Betrachter*in letztlich unterschlagen – zu Gesicht bekommt die Betrachter*in lediglich das Urteil meines Prozesses. Durch diese ungefilterte künstlerische Ausdrucksweise strebe ich danach, die Betrachter*innen in eine Gefühls-Welt zu ziehen, die ebenso subjektiv und vielschichtig ist wie die menschliche Erfahrung selbst.
Der abstrakte Expressionismus hat mir nicht nur einen stilistischen Rahmen, sondern auch eine philosophische Grundlage gegeben. Er erinnert mich daran, dass Kunst nicht nur gesehen, sondern erlebt werden sollte – sie soll eine direkte und oft persönliche Verbindung zwischen dem Werk und dem Betrachter schaffen.
Ausstellungen (Auswahl):
2015 Polish Institute Platan / Latarka Gallery (Budapest)
2015 Salon Kennedy (Frankfurt)
2015 Kunstverein Wiesbaden (Wiesbaden)
2016 Katholische Akademie München (München)
2017 Lothringer 13 (München)
2017 Art Homes (München)
2018 Kunstarkaden (München)
2018 Haus 10 (Fürstenfeldbruck)
2023 Kunstarkaden (München)
2024 Kunstpavillon (München)
